Beschluss: AG Bildung: Mit inklusiver Schule zu mehr sozialer Gerechtigkeit
Originalversion
| 1 | Mit inklusiver Schule zu mehr sozialer Gerechtigkeit |
| 2 | Der Landesjugendring Niedersachsen e.V. setzt sich für die |
| 3 | Umsetzung der inklusiven Schule ein. Das deutsche |
| 4 | Bildungssystem, das belegen die OECD-Studien, verschärft |
| 5 | soziale Selektion, statt sie abzubauen. Es ist nicht |
| 6 | akzeptabel, dass in einem demokratischen Land die |
| 7 | öffentliche Schule, die dazu da ist, Chancengleichheit für |
| 8 | alle Kinder zu realisieren, diese ihnen in der Tat verwehrt. |
| 9 | Ein Leitbild für eine inklusive Schule muss sich auf das |
| 10 | ganze Schulsystem beziehen, sowohl auf Grund-, allgemeine |
| 11 | und berufsbildende Schule als auch auf Schulen für Kinder |
| 12 | und Jugendliche mit Behinderungen. Eine „inklusive Schule“ |
| 13 | soll individuelle Förderung leisten, sie soll sich an Kinder |
| 14 | und Jugendliche anpassen und sie nach ihren eigenen |
| 15 | Fähigkeiten fördern statt umgekehrt. |
| 16 | Der Landesjugendring Niedersachsen e.V. setzt sich bei der |
| 17 | niedersächsischen Landesregierung für ein Leitbild eines |
| 18 | inklusiven Bildungssystems ein und unterstützt auf dem Weg |
| 19 | dahin die Ziele des Volksbegehrens „für gute Schulen“. Es |
| 20 | muss den Schulen überlassen werden, ob sie das Gymnasium auf |
| 21 | 8 Jahre verkürzen wollen, anstatt sie dazu zu verpflichten. |
| 22 | Die sehr hohen Hürden zur Einrichtung von Gesamtschulen |
| 23 | müssen aufgehoben und die Bedingungen, unter denen sie |
| 24 | eingerichtet werden können, vereinfacht werden. Das vom |
| 25 | Kultusministerium eingeführte Oberschule-Modell wird |
| 26 | abgelehnt und darf nicht zur Verdrängung von Gesamtschulen |
| 27 | führen. |
| 28 | |
| 29 | Begründung |
| 30 | Deutschland wird kontinuierlich zu Recht von der OECD |
| 31 | gerügt, das Bildungssystem zu haben, das Schülerinnen und |
| 32 | Schüler am meisten selektiert. In keinem Land der OECD |
| 33 | hängen die Bildungs- und Berufschancen mehr von der sozialen |
| 34 | Herkunft ab als in Deutschland. Es ist inakzeptabel, dass |
| 35 | die Zukunft von Kindern in so starkem Maße davon abhängt, wo |
| 36 | sie geboren werden. Das verwehrt Kindern |
| 37 | Entfaltungsmöglichkeiten und ihr Menschenrecht auf Bildung |
| 38 | und freie Entwicklung. Das Land Niedersachsen ist dazu |
| 39 | verpflichtet, die UN-Konvention für die Realisierung eines |
| 40 | inklusiven Bildungssystems umzusetzen, welche die |
| 41 | Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat und die seit |
| 42 | 2009 in Deutschland geltendes Recht ist. Im Gegensatz zu den |
| 43 | Stellungnahmen der KMK, wonach sich Deutschland durch die |
| 44 | Unterzeichnung der Konvention „lediglich“ dazu verpflichten |
| 45 | würde, behinderte Kinder in Bildungssystem und Gesellschaft |
| 46 | zu integrieren, bezieht sich die UN-Konvention auf das ganze |
| 47 | Bildungssystem und auf die Beseitigung von sozialer |
| 48 | Selektion nach jeglichen Herkunftskriterien, seien sie |
| 49 | kultureller, ethnischer oder sozialer Natur. |
| 50 | Das gegliederte Schulsystem in Deutschland verträgt sich mit |
| 51 | der Verpflichtung zur Realisierung eines inklusiven |
| 52 | Bildungssystems nicht und muss so reformiert werden, dass |
| 53 | jedes Kind und jeder Jugendliche sein Menschenrecht auf eine |
| 54 | inklusive Bildung wahrnehmen kann. Wie die Erklärung von |
| 55 | Salamanca von 1994 bei der UN-Weltkonferenz sagt: |
| 56 | „Menschliche Unterschiede sind normal, das Lernen muss daher |
| 57 | an das Kind angepasst werden und nicht umgekehrt soll sich |
| 58 | das Kind nach vorbestimmten Annahmen über das Tempo und die |
| 59 | Art des Lernprozesses richten“. Genau das macht aber die |
| 60 | deutsche Schule: Die Kinder, die nicht den Schritt halten, |
| 61 | werden heruntergestuft, diejenigen, die es schaffen, sollen |
| 62 | die künftige Elite bilden. Die künstliche Schaffung von |
| 63 | „sozialen Schichten“ von Kindesalter an hat in einer |
| 64 | Gesellschaft, die demokratisch sein will, nichts zu suchen. |
| 65 | Darum müssen die Barrieren, die das deutsche gegliederte |
| 66 | Bildungssystem schafft, gelockert und die Schulformen enger |
| 67 | miteinander verzahnt werden. Kinder müssen in der Schule |
| 68 | länger gemeinsam lernen und individueller gefördert werden. |
| 69 | Von einer zur anderen Schulform zu wechseln, soll einfacher |
| 70 | werden. Dafür sollen Bund und Land Niedersachsen die dafür |
| 71 | notwendigen Ressourcen bereitstellen. Ressourcen, die an |
| 72 | dieser Stelle investiert werden, reduzieren den Einsatz an |
| 73 | anderen Stellen, wo man nachträglich Schäden beseitigen |
| 74 | will, die das System selbst verursacht hat. |
| 75 | Weitere konkrete Schritte auf dem Weg zur Realisierung eines |
| 76 | inklusiven Schulsystems sind beispielsweise: neue |
| 77 | Indikatoren und Schulentwicklungskonzepte einführen (z.B. |
| 78 | den Index für Inklusion nach Boban/Hinz), ausreichende |
| 79 | Mittel dem Bildungssystem bereitstellen, um dieses Ziel zu |
| 80 | erreichen, (z.B. mehr Lehrer-innen und |
| 81 | Sozialpädagog-innenstellen), neue Unterrichtsmethoden |
| 82 | ausprobieren und Kooperationen mit außerschulischen |
| 83 | Bildungsträgern fördern. Dadurch wer- |
| 84 | den soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit und |
| 85 | Partizipation gefördert, mehr die Fähigkeit zur Kooperation |
| 86 | als der Hang zum Wettbewerb gestärkt. |
| 87 | Gerade bewegt sich aber die Schulreform in die |
| 88 | entgegengesetzte Richtung! Die Verkürzung der Schulzeiten am |
| 89 | Gymnasium in Niedersachsen ist aus dem Gesichtspunkt des |
| 90 | Leitbilds einer inklusiven Schule genau das Falsche! So |
| 91 | verschärft man die Kluft zwischen den Kindern, die den |
| 92 | Schritt halten, und denjenigen, die das nicht schaffen. Auch |
| 93 | die sehr schwierig zu erfüllenden Voraussetzungen, um eine |
| 94 | Gesamtschule einzurichten, sind nicht nachvollziehbar, |
| 95 | gerade wenn man sieht, wie nachgefragt dieses Schulmodell |
| 96 | unter Eltern ist. Deshalb sollen die Ziele des |
| 97 | Volksbegehrens „für gute Schulen“ in Niedersachsen |
| 98 | unterstützt werden. |
| 99 | Das niedersächsische Kultusministerium führt dabei, nach |
| 100 | eigenen Aussagen aus Gründen der demographischen |
| 101 | Entwicklung, eine Oberschule ein, welche den Schulen die |
| 102 | Möglichkeit gibt, Haupt- und Realschulen zusammenzufassen. |
| 103 | Die Oberschule bringt aber für ein inklusives Schulsystem |
| 104 | keine Fortschritte. Dreizügige Oberschulen sollen dabei |
| 105 | zugelassen werden, hingegen sollen kleinere, drei- oder |
| 106 | vierzügige IGS, die zahlreich von Landkreisen beantragt |
| 107 | wurden, weiterhin nicht möglich bleiben. Das gleicht einer |
| 108 | Ungleichbehandlung zwischen Schulformen, die dem |
| 109 | niedersächsischen Kultusministerium beliebt und unbeliebt |
| 110 | sind. Damit wird also die Stellung von IGS, welche derzeit |
| 111 | dem Leitbild einer inklusiven Schule am nächsten kommen, |
| 112 | welche Flexibilität gewährleisten und unter Eltern und |
| 113 | Kindern sehr beliebt sind, sehr stark infrage gestellt und |
| 114 | kein Schulfrieden gefördert. Die Oberschule wird übrigens |
| 115 | nach Angaben von Schulträgern das demographische Problem in |
| 116 | ländlichen Gebieten nicht lösen können. Dadurch hat man den |
| 117 | starken Eindruck, dass Oberschulen dafür eingeführt werden, |
| 118 | um IGS zu verdrängen. So kommen wir einem inklusiven |
| 119 | Bildungssystem nicht näher! |
Der Text verglichen mit der Originalversion
| 1 | Mit inklusiver Schule zu mehr sozialer Gerechtigkeit |
| 2 | Der Landesjugendring Niedersachsen e.V. setzt sich für die |
| 3 | Umsetzung der inklusiven Schule ein. Das deutsche |
| 4 | Bildungssystem, das belegen die OECD-Studien, verschärft |
| 5 | soziale Selektion, statt sie abzubauen. Es ist nicht |
| 6 | akzeptabel, dass in einem demokratischen Land die |
| 7 | öffentliche Schule, die dazu da ist, Chancengleichheit für |
| 8 | alle Kinder zu realisieren, diese ihnen in der Tat verwehrt. |
| 9 | Ein Leitbild für eine inklusive Schule muss sich auf das |
| 10 | ganze Schulsystem beziehen, sowohl auf Grund-, allgemeine |
| 11 | und berufsbildende Schule als auch auf Schulen für Kinder |
| 12 | und Jugendliche mit Behinderungen. Eine „inklusive Schule“ |
| 13 | soll individuelle Förderung leisten, sie soll sich an Kinder |
| 14 | und Jugendliche anpassen und sie nach ihren eigenen |
| 15 | Fähigkeiten fördern statt umgekehrt. |
| 16 | Der Landesjugendring Niedersachsen e.V. setzt sich bei der |
| 17 | niedersächsischen Landesregierung für ein Leitbild eines |
| 18 | inklusiven Bildungssystems ein und unterstützt auf dem Weg |
| 19 | dahin die Ziele des Volksbegehrens „für gute Schulen“. Es |
| 20 | muss den Schulen überlassen werden, ob sie das Gymnasium auf |
| 21 | 8 Jahre verkürzen wollen, anstatt sie dazu zu verpflichten. |
| 22 | Die sehr hohen Hürden zur Einrichtung von Gesamtschulen |
| 23 | müssen aufgehoben und die Bedingungen, unter denen sie |
| 24 | eingerichtet werden können, vereinfacht werden. Das vom |
| 25 | Kultusministerium eingeführte Oberschule-Modell wird |
| 26 | abgelehnt und darf nicht zur Verdrängung von Gesamtschulen |
| 27 | führen. |
| 28 | |
| 29 | Begründung |
| 30 | Deutschland wird kontinuierlich zu Recht von der OECD |
| 31 | gerügt, das Bildungssystem zu haben, das Schülerinnen und |
| 32 | Schüler am meisten selektiert. In keinem Land der OECD |
| 33 | hängen die Bildungs- und Berufschancen mehr von der sozialen |
| 34 | Herkunft ab als in Deutschland. Es ist inakzeptabel, dass |
| 35 | die Zukunft von Kindern in so starkem Maße davon abhängt, wo |
| 36 | sie geboren werden. Das verwehrt Kindern |
| 37 | Entfaltungsmöglichkeiten und ihr Menschenrecht auf Bildung |
| 38 | und freie Entwicklung. Das Land Niedersachsen ist dazu |
| 39 | verpflichtet, die UN-Konvention für die Realisierung eines |
| 40 | inklusiven Bildungssystems umzusetzen, welche die |
| 41 | Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat und die seit |
| 42 | 2009 in Deutschland geltendes Recht ist. Im Gegensatz zu den |
| 43 | Stellungnahmen der KMK, wonach sich Deutschland durch die |
| 44 | Unterzeichnung der Konvention „lediglich“ dazu verpflichten |
| 45 | würde, behinderte Kinder in Bildungssystem und Gesellschaft |
| 46 | zu integrieren, bezieht sich die UN-Konvention auf das ganze |
| 47 | Bildungssystem und auf die Beseitigung von sozialer |
| 48 | Selektion nach jeglichen Herkunftskriterien, seien sie |
| 49 | kultureller, ethnischer oder sozialer Natur. |
| 50 | Das gegliederte Schulsystem in Deutschland verträgt sich mit |
| 51 | der Verpflichtung zur Realisierung eines inklusiven |
| 52 | Bildungssystems nicht und muss so reformiert werden, dass |
| 53 | jedes Kind und jeder Jugendliche sein Menschenrecht auf eine |
| 54 | inklusive Bildung wahrnehmen kann. Wie die Erklärung von |
| 55 | Salamanca von 1994 bei der UN-Weltkonferenz sagt: |
| 56 | „Menschliche Unterschiede sind normal, das Lernen muss daher |
| 57 | an das Kind angepasst werden und nicht umgekehrt soll sich |
| 58 | das Kind nach vorbestimmten Annahmen über das Tempo und die |
| 59 | Art des Lernprozesses richten“. Genau das macht aber die |
| 60 | deutsche Schule: Die Kinder, die nicht den Schritt halten, |
| 61 | werden heruntergestuft, diejenigen, die es schaffen, sollen |
| 62 | die künftige Elite bilden. Die künstliche Schaffung von |
| 63 | „sozialen Schichten“ von Kindesalter an hat in einer |
| 64 | Gesellschaft, die demokratisch sein will, nichts zu suchen. |
| 65 | Darum müssen die Barrieren, die das deutsche gegliederte |
| 66 | Bildungssystem schafft, gelockert und die Schulformen enger |
| 67 | miteinander verzahnt werden. Kinder müssen in der Schule |
| 68 | länger gemeinsam lernen und individueller gefördert werden. |
| 69 | Von einer zur anderen Schulform zu wechseln, soll einfacher |
| 70 | werden. Dafür sollen Bund und Land Niedersachsen die dafür |
| 71 | notwendigen Ressourcen bereitstellen. Ressourcen, die an |
| 72 | dieser Stelle investiert werden, reduzieren den Einsatz an |
| 73 | anderen Stellen, wo man nachträglich Schäden beseitigen |
| 74 | will, die das System selbst verursacht hat. |
| 75 | Weitere konkrete Schritte auf dem Weg zur Realisierung eines |
| 76 | inklusiven Schulsystems sind beispielsweise: neue |
| 77 | Indikatoren und Schulentwicklungskonzepte einführen (z.B. |
| 78 | den Index für Inklusion nach Boban/Hinz), ausreichende |
| 79 | Mittel dem Bildungssystem bereitstellen, um dieses Ziel zu |
| 80 | erreichen, (z.B. mehr Lehrer-innen und |
| 81 | Sozialpädagog-innenstellen), neue Unterrichtsmethoden |
| 82 | ausprobieren und Kooperationen mit außerschulischen |
| 83 | Bildungsträgern fördern. Dadurch wer- |
| 84 | den soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit und |
| 85 | Partizipation gefördert, mehr die Fähigkeit zur Kooperation |
| 86 | als der Hang zum Wettbewerb gestärkt. |
| 87 | Gerade bewegt sich aber die Schulreform in die |
| 88 | entgegengesetzte Richtung! Die Verkürzung der Schulzeiten am |
| 89 | Gymnasium in Niedersachsen ist aus dem Gesichtspunkt des |
| 90 | Leitbilds einer inklusiven Schule genau das Falsche! So |
| 91 | verschärft man die Kluft zwischen den Kindern, die den |
| 92 | Schritt halten, und denjenigen, die das nicht schaffen. Auch |
| 93 | die sehr schwierig zu erfüllenden Voraussetzungen, um eine |
| 94 | Gesamtschule einzurichten, sind nicht nachvollziehbar, |
| 95 | gerade wenn man sieht, wie nachgefragt dieses Schulmodell |
| 96 | unter Eltern ist. Deshalb sollen die Ziele des |
| 97 | Volksbegehrens „für gute Schulen“ in Niedersachsen |
| 98 | unterstützt werden. |
| 99 | Das niedersächsische Kultusministerium führt dabei, nach |
| 100 | eigenen Aussagen aus Gründen der demographischen |
| 101 | Entwicklung, eine Oberschule ein, welche den Schulen die |
| 102 | Möglichkeit gibt, Haupt- und Realschulen zusammenzufassen. |
| 103 | Die Oberschule bringt aber für ein inklusives Schulsystem |
| 104 | keine Fortschritte. Dreizügige Oberschulen sollen dabei |
| 105 | zugelassen werden, hingegen sollen kleinere, drei- oder |
| 106 | vierzügige IGS, die zahlreich von Landkreisen beantragt |
| 107 | wurden, weiterhin nicht möglich bleiben. Das gleicht einer |
| 108 | Ungleichbehandlung zwischen Schulformen, die dem |
| 109 | niedersächsischen Kultusministerium beliebt und unbeliebt |
| 110 | sind. Damit wird also die Stellung von IGS, welche derzeit |
| 111 | dem Leitbild einer inklusiven Schule am nächsten kommen, |
| 112 | welche Flexibilität gewährleisten und unter Eltern und |
| 113 | Kindern sehr beliebt sind, sehr stark infrage gestellt und |
| 114 | kein Schulfrieden gefördert. Die Oberschule wird übrigens |
| 115 | nach Angaben von Schulträgern das demographische Problem in |
| 116 | ländlichen Gebieten nicht lösen können. Dadurch hat man den |
| 117 | starken Eindruck, dass Oberschulen dafür eingeführt werden, |
| 118 | um IGS zu verdrängen. So kommen wir einem inklusiven |
| 119 | Bildungssystem nicht näher! |
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